Ausgangslage
Ernährungsberater sehen sich täglich mit der Notwendigkeit konfrontiert, die Energiezufuhr aus der Nahrung mit dem metabolischen Bedarf des Patienten in Einklang zu bringen.
Bei der immer noch vorherrschenden Praxis der kalorienarmen Diät geht es z. B. darum, die tägliche Energiezufuhr über die Nahrung (typischerweise in Kcal gemessen) im Vergleich zum geschätzten Energieaufwand auf der Grundlage von Parametern wie Alter, Geschlecht, Gewicht und Aktivität des Patienten mehr oder weniger stark zu reduzieren.
Obwohl es für Ernährungsberater unmöglich ist, die Energiebilanz des Körpers genau zu beurteilen, wird das Thema leider tendenziell übervereinfacht, fast so, als ob es sich lohne, diesen Aspekt zu vernachlässigen und grob zu handeln, da keine genauen Schätzungen vorliegen.
Der Fehler in der Hypothese
Verschiedene Gleichungen und Theorien versuchen, den täglichen Energiebedarf auf der Grundlage von anthropometrischen Parametern, Alter, Geschlecht und Art der körperlichen Aktivität näherungsweise zu bestimmen. Diese Hilfsmittel haben jedoch klare intrinsische Grenzen, die meist zu einer Überschätzung des Patienten-Stoffwechsels führen, selbst wenn man nur den Grundumsatz betrachtet.
An dieser Stelle ist anzumerken, dass der Grundumsatz (oder BMR, Basal Metabolic Rate, BIA-ACC) die Energiemenge (üblicherweise ausgedrückt in täglichen Kcal) ist, die eine Person unter Bedingungen maximaler körperlicher und geistiger Ruhe, in einer Umgebung mit angenehmer Temperatur und bei etwa zwölfstündigem Fasten verbraucht. Es ist also klar, dass eine Energiezufuhr, die mindestens dem Grundumsatz entspricht, die Mindestanforderung ist, um ein Energiedefizit im Körper zu vermeiden. Es ist auch klar, dass der tägliche Energiebedarf zwingend höher ist als der BMR, der genau die Mindestenergie ist, die für das Überleben der Körperzellmasse notwendig ist, wenn die Ruhebedingungen absolut ideal sind.
Abbildung 1: Gleichgewicht zwischen Energieaufnahme und -bedarf
Zusammenfassend ergibt sich das in Abbildung 1 gezeigte Bild: Betrachtet man die Summe aus BMR und aktivem Energieaufwand, sollte die Bilanz der täglichen Energieaufnahme/-ausgabe einfach genug sein. Nicht, dass dies absolut falsch wäre, im Gegenteil, die Frage ist richtig gestellt, das Problem liegt eher in der Praxis – einer Praxis, die sich, wenn aus Notwendigkeit, wenn aus falschem Vertrauen, zu oft auf Standardgleichungen verlässt und dabei die Ungenauigkeit dieser Hilfsmittel übersieht.
Lassen wir für einen Moment die Frage des aktiven Energieverbrauchs beiseite, obwohl sie nicht einfach ist, und konzentrieren wir uns nur auf die Auswertung des Grundumsatzes. Die Kritik, die wir zur Debatte stellen wollen, ist schließlich die folgende: Haben zwei Patienten gleichen Alters, gleichen Geschlechts und anthropometrisch ähnlich, mit Sicherheit einen gleichen bzw. ähnlichen Grundumsatz? Die kurze Antwort lautet: „Nein, überhaupt nicht“.
Metabolische Veränderungen
Der Patient ist normalerweise nicht „topfit“. Auch wenn es ein wenig ironisch klingen mag, soll dieser Begriff verdeutlichen, wie ungewöhnlich es ist, dass ein völlig gesunder Mensch in die Praxis eines Ernährungsberaters kommt, um sich Ratschläge für seine Ernährung zu holen.
Fettleibigkeit, Diabetes, funktionelle Magen-Darm-Erkrankungen sind nur die häufigsten Fälle, bei denen wir in diesem Bereich zu Hilfe gerufen werden. Sie sind alle durch mehr oder weniger ausgeprägte Veränderungen im physiologischen Gleichgewicht des endokrinen Systems und der Körperzusammensetzung sowie durch das Auftreten verschiedener Symptome bzw. durch die Chronifizierung von Entzündungsprozessen gekennzeichnet.
Ereignisse, die dieser Sphäre zuzuordnen sind, treten sehr leicht auch bei Abwesenheit von Symptomen auf: So ist in der wissenschaftlichen Literatur längst geklärt, wie die Zunahme und das Fortbestehen von Stressquellen (in welcher Form auch immer: physisch, psychosozial, exogen oder endogen) langfristig zu Veränderungen in der zirkadianen Rhythmik der Stresshormone (Glucocorticoide, Cortisol – HPA axis index - BIA-ACC) führen, so dass z. B. bei einem scheinbar gesunden Menschen zu Beginn eines solchen Ungleichgewichts die Fähigkeit zur Verstoffwechselung von Kohlenhydraten durch den Cortisol-Insulin-Antagonismus mehr oder weniger beeinträchtigt ist. Die Hypothese weiterführend würde dies zu einer Veränderung der Körperzusammensetzung zu Ungunsten der fettfreien Masse (FFM, Fat Free Mass, die sich grob aus Muskeln, Knochen und inneren Organen ohne Fett zusammensetzt - BIA-ACC) führen, einem der Hauptfaktoren, die den BMR bestimmen.
Ein anderes Problem, das aber zu parallelen Ergebnissen führt, betrifft die Veränderung des extrazellulären pH-Wertes, wie z. B. die Tendenz zur Azidose, die mit dem Vorhandensein chronischer Entzündungsprozesse zusammenhängt: Die Azidose beinhaltet bekannterweise den fortschreitenden Abfall der Enzymaktivität und damit der organischen Nährstoff-Absorption (z. B. verursacht durch Nahrungsmittel mit einem positiven PRAL-Wert). Welchen Sinn hat unter diesen Bedingungen die Einnahme von Nährstoffen, die nicht mit den tatsächlichen Stoffwechselkapazitäten im Gleichgewicht sind? Es wäre vielmehr ratsam, den Stoffwechsel anzuregen, um eine Abnahme der Nährstoffaufnahme zu vermeiden, die zum Verlust von FFM führt.
Es gibt eine sehr hohe Anzahl von Wechselwirkungen, zusätzlich zu den kurz erwähnten, die Veränderungen im Stoffwechsel verursachen können, von denen nur einige in Abbildung 2 dargestellt sind.
Abbildung 2: Beispiele für Wechselwirkungen bei metabolischen Veränderungen
In vielen Fällen löst das Auftreten dieser Ereignisse sogenannte „vage und unspezifische“ Symptome (oder MUS, Medically Unexplained Symptoms, siehe Tabelle 1 - MUS [46]) aus, die oft das erste Warnsignal für den Patienten sind.
Es sollte jedoch beachtet werden, dass die Erkennung von Symptomen von der subjektiven Wahrnehmung des Patienten abhängt. Daher sollte auch bei Abwesenheit von Störungen nicht davon ausgegangen werden, dass die statistischen Gleichungen auf jeden Patienten anwendbar sind.
Tabelle 1: Vage und unspezifische Symptome (MUS) – vereinfacht, aus Selbsteinschätzungsformular über vage und unspezifische Symptome– MUS® [46].
Auf dem Weg zu einer Verbesserung
Die Verfügbarkeit detaillierter und umfassender Informationen über den Zustand des Patienten ist keineswegs selbstverständlich und wäre in jedem Fall eine unwirtschaftliche und langwierige Option, die eine lange Reihe von Labortests erfordert. Dies ist in den meisten Fällen keine Situation, die man typischerweise in einer klinischen Ernährungspraxis antrifft.
Es ist jedoch möglich, objektive Parameter zu erhalten, die über eine bloße anthropometrische Erhebung hinausgehen und es erlauben, Entscheidungen effektiver zu treffen. Eine schnelle nicht-invasive Analyse der Körperzusammensetzung kann, wenn sie mit ausreichender Präzision durchgeführt wird, tatsächlich viel über den Gesundheitszustand eines Patienten aussagen.
Die Parameter, die durch die klinische Analyse der Körperzusammensetzung (unter Verwendung der BIA-ACC-Geräte in Kombination mit dem PPG-Stress-Flow-Gerät zur Analyse des autonomen Nervensystems) ermittelt werden können, liefern wichtige Messwerte über den Hydratationszustand des Patienten, seinen Fettgewebsgehalt, seine Stoffwechselkapazität, seinen Grad an chronischer systemischer EntzünduAnalyse des autonomen Nervensystems) ermittelt werden können, liefern wichtige Messwerte über den Hydratationszustand des Patienten, seinen Fettgewebsgehalt, seine Stoffwechselkapazität, seinen Grad an chronischer systemischer Entzündung.
Der BIA-ACC-Test bietet, wie in der wissenschaftlichen Literatur nachgewiesen, einen guten Grad an Genauigkeit bei der Schätzung der Körperzusammensetzung und des BMR und ist dank seiner Wirtschaftlichkeit und einfachen Handhabung in fast jeder Situation eine machbare Lösung. Eine genauere und korrektere Messung ist zweifellos der erste Schritt zur Verbesserung der Ergebnisse in Bezug auf eine ausgewogene Ernährung und reduziert das Risiko einer unausgewogenen Kalorienzufuhr im Vergleich zum tatsächlichen Bedarf und den tatsächlichen metabolischen Kapazitäten des Patienten.
Mittlerweile hat die auf die klinische Ernährung angewandte Technologie große Fortschritte gemacht; ein Beispiel in diesem Sinne ist die integrierte Plattform BioTekna Plus (Anwendung „Klinische Ernährung“), die seit einiger Zeit zur Verfügung steht und einem breiten Publikum zugänglich ist. Diese Plattform ermöglicht es, Ernährungsanalysen in Echtzeit durchzuführen, ausgehend von BIA-ACC-, PPG-Stress-Flow-Parametern sowie von Befragungen zu den vagen und unspezifischen Symptomen (MUS) und den Essgewohnheiten (Eating Habits) des Patienten.
Unter den von der integrierten Plattform BioTekna Plus gesammelten Daten bietet die Analyse von MUS viele Informationen über den Patienten, da sie eine weitere Charakterisierung der aus der BIA-ACC- und PPG-Stress-Flow-Untersuchung gewonnenen Daten ermöglicht, bis hin zur Möglichkeit, ein Profil der zirkadianen hormonellen Rhythmik zu definieren (siehe HPA axis index - BIA-ACC und SNS, ANS - PPG-Stress-Flow).
Praktisch ausgedrückt: Wie sinnvoll kann es sein zu wissen, wann ein Lebensmittel vom Patienten tagsüber gut vertragen wird? Wie sinnvoll kann es sein, durch eine gezielte Nahrungsauswahl Phasen der Pankreasruhe oder der Schilddrüsenaktivität zu fördern? Die möglichen Verbesserungen, die bei einer Ernährungstherapie durch solche Fähigkeiten erzielt werden, sind unschätzbar. Sie können den Unterschied ausmachen zwischen einer allgemeinen Gewichtsabnahme bei einem adipösen Patienten und einem selektiven Verlust von Fettmasse bzw. zwischen der Notwendigkeit, bei jeder Mahlzeit Hypoglykämie-Medikamente einzusetzen und der Möglichkeit, hyperglykämische Spitzen zu minimieren.
Die integrierte Plattform Biotekna Plus (Abbildung 3) schließt die Lücke zwischen den Gerätedaten und den Strategien des Ernährungsberaters. Diese können an die Eigenschaften des einzelnen Patienten angepasst werden, dank der Möglichkeit, den Trend der metabolischen Reaktion über 24 Stunden (glykämische Last, Food Insulin Index, AGEs, PRAL) sowohl in der Untersuchungsphase - d.h. bei der Überprüfung des typischen Stoffwechselverhaltens des Patienten und in Bezug auf dessen Gewohnheiten - als auch in der Phase der therapeutischen Hypothese zu berechnen, wodurch der Ernährungsberater die Angemessenheit seiner Entscheidungen überprüfen kann.
Abbildung 3: In die BioTekna Plus-Plattform integrierte Anwendung Klinische Ernährung.
Die Verwendung der integrierten Plattform BioTekna Plus erleichtert die Aufgabe des Ernährungsberaters, da sie nicht nur die Ausgewogenheit der täglichen Energiezufuhr auf der Grundlage einer korrekten BMR-Schätzung vereinfacht, sondern auch dabei hilft, die am besten geeigneten Zeitpunkte (Ernährungssequenzierung) für die Nahrungsaufnahme zu ermitteln, um den Stoffwechsel in den günstigsten Phasen zu stimulieren und die Wiederherstellung der physiologischen hormonellen Rhythmik zu unterstützen - ein grundlegender Aspekt für die Wiederherstellung des Wohlbefindens bei Patienten, die einen sehr niedrigen Grundumsatz aufweisen und für die eine übermäßige Kalorienreduzierung sogar schädlich sein könnte.
Autoren: Dario Boschiero - Datum: 04/12/2020
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Literaturverzeichnis